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Die Macht der Prägung – Wie gesellschaftliche Rollenbilder unser Leben beeinflussen

  • ctschickart
  • 15. März
  • 9 Min. Lesezeit


Das Märchen von der Stadt der unsichtbaren Mauern


Es gab eine Stadt, groß und voller Leben. Sie war modern, mit hohen Glasfassaden, lärmenden Straßen und flimmernden Bildschirmen. Menschen eilten geschäftig durch ihre Straßen, von Meeting zu Meeting, von Zuhause zur Arbeit, von Erwartungen zu Verpflichtungen.


Doch es gab etwas, das niemand sah.


Unsichtbare Mauern.


Sie waren nicht aus Stein oder Stahl, aber sie waren da. Sie bestimmten, wer auf welchen Straßen gehen durfte, wer welche Türen öffnen konnte. Männer liefen auf breiten Wegen mit festen Schritten, Frauen bewegten sich auf schmaleren Pfaden, oft mit gesenktem Kopf.


Diese Mauern waren alt, älter als die Stadt selbst. Sie bestanden aus Traditionen, Glaubenssätzen, unausgesprochenen Regeln. Wer sie infrage stellte, wurde gewarnt: „So funktioniert die Welt. So war es schon immer.“





Die Mauer des Mannes


Ein Mann arbeitete in einem großen Unternehmen, in einem Büro voller Anzüge und harter Handschläge. Schon als Kind hatte er gelernt, was von ihm erwartet wurde: Ein Mann muss stark sein, darf keine Schwäche zeigen, muss führen, durchhalten, dominieren.


Aber dieser Mann fühlte sich oft anders. Er war einfühlsam, sensibel, hasste Konkurrenzdenken. Seine Kollegen scherzten: „Du bist zu weich. Du wirst es hier nicht weit bringen.“


Jeden Morgen zog er seinen Anzug an wie eine Rüstung, setzte ein Lächeln auf, das nicht ihm gehörte. Wenn er zu Hause war, starrte er an die Decke und fragte sich, warum er in dieser Welt keinen Platz fand.


Dann kam der Tag, an dem er in einer Sitzung saß, während ein Kollege einen Mitarbeiter vor allen anderen erniedrigte. Es war das übliche Spiel: Stärke demonstrieren, Schwäche bestrafen.


Etwas in dem Mann zog sich zusammen. Sein Herz schlug schneller.

Die unsichtbare Mauer vor ihm flüsterte: „Sag nichts. So läuft das hier.“

Aber dann dachte er an all die Jahre, in denen er geschwiegen hatte. Und er sagte es doch.

„Das ist nicht in Ordnung.“

Der Raum wurde still.

Sein Kollege lachte unsicher. „Ach, sei doch nicht so sensibel.“

„Nein“, sagte der Mann. „Respekt ist kein Zeichen von Schwäche.“


Es war ein kleiner Moment. Kein großer Kampf. Kein lautes Zerbrechen. Aber es war der erste Riss in der Mauer.


Und als er am Abend nach Hause ging, fühlte er sich ein kleines Stück leichter.







Die Mauer der Frau


Die Frau war Ärztin. Eine gute. Vielleicht sogar eine der besten. Aber das war nicht genug.


Immer wieder musste sie sich beweisen. Ihre männlichen Kollegen wurden als „kompetent“ gesehen, sie als „ehrgeizig“. Wenn sie sich durchsetzte, war sie „zu dominant“. Wenn sie sich zurückhielt, war sie „zu weich“.


Einmal schlug sie im Team eine neue Behandlungsmethode vor. Die Reaktion war ein Lächeln – aber nicht das freundliche. Eher eines, das sagte: „Nett, dass du es versuchst.“


Ein paar Wochen später machte ein männlicher Kollege den gleichen Vorschlag. Da wurde er ernst genommen.


Die Frau schluckte es runter. Wie immer.


Aber eines Tages, in einer Konferenz, stand sie auf, atmete tief ein und sagte:

„Warum werden meine Worte anders gewertet als seine?“

Es wurde still. Ein paar Leute wandten sich unbehaglich ab. Aber ein paar andere nickten.


Die Mauer vor ihr hatte Risse bekommen.


Und als sie an diesem Abend nach Hause fuhr, fühlte sie etwas Neues. Nicht nur Wut. Nicht nur Erschöpfung. Sondern Hoffnung.


Die Stadt beginnt zu wanken


Der Mann war nicht der Einzige, der anfing zu sprechen. Die Frau war nicht die Einzige, die sich fragte, warum die Dinge waren, wie sie waren.


In Cafés, in Büros, in Schulen, in Familien – überall stellten Menschen Fragen.


Warum dürfen Frauen in Meetings nicht genauso reden wie Männer?

Warum sollen Männer ihre Gefühle verstecken?

Warum wird eine Mutter als „Rabenmutter“ beschimpft, wenn sie arbeitet, aber ein Vater als „engagiert“ gelobt, wenn er sein Kind vom Kindergarten abholt?


Jahrzehntelang hatte man sie ignoriert, zum Schweigen gebracht. Aber jetzt hörten sich die Menschen gegenseitig zu.


Und langsam, sehr langsam, begannen die unsichtbaren Mauern zu bröckeln.


Der Widerstand der Mauern


Doch Mauern fallen nicht ohne Kampf.


Es gab viele, die an ihnen festhielten. Männer, die Angst hatten, dass ihnen ihre Stärke genommen würde. Frauen, die glaubten, es sei besser, sich anzupassen, als zu kämpfen.


„Es war doch nie anders“, sagten sie.

„So funktioniert die Welt“, sagten sie.

„Ihr seid zu empfindlich, zu sensibel“, sagten sie.


Sie stemmten sich gegen die Veränderung. Versuchten, die Risse zu übertünchen, die Fragen zu ersticken, die Stimmen zum Schweigen zu bringen.


Manche ließen sich einschüchtern und verstummten. Aber nicht alle.


Denn etwas war anders.


Es waren nicht nur Einzelne. Es waren viele.


Die Mauern fallen


Es begann langsam, fast unmerklich.


Ein Unternehmen, das flexible Arbeitszeiten für alle einführte – nicht nur für Mütter.

Ein Vater, der sich eine Auszeit nahm, um sein Kind großzuziehen.

Ein Junge, der sich traute zu sagen: „Mir geht es nicht gut.“

Ein Mädchen, das sich traute zu sagen: „Ich will nicht leise sein.“


Dann fielen größere Mauern.


Frauen bekamen gleiche Chancen. Männer durften verletzlich sein, ohne verspottet zu werden. Eltern konnten sich die Verantwortung teilen, ohne verurteilt zu werden.


Die Stadt sah noch immer aus wie früher. Die Straßen waren die gleichen, die Gebäude standen noch.


Aber die Wege waren anders.


Breiter. Freier. Für alle.


Und dann?


Es war kein perfektes Ende.


Es gab immer noch Menschen, die an den alten Mauern bauten, neue Regeln erfanden, um die Veränderungen aufzuhalten. Aber die Mauern waren nicht mehr allmächtig.

Und vielleicht war das das wahre Märchen: Nicht eines, das mit einem „Happy End“ schloss, sondern eines, das zeigte, dass Veränderung möglich war.


Nicht über Nacht. Nicht ohne Widerstand.


Aber Stück für Stück.


Mauer für Mauer.


Bis die Stadt wirklich allen gehörte und jeder der Menschen sich so zeigen konnte, wie er ist.




Geschlechterrollen: Wie sie uns formen, uns bremsen – und wie wir uns daraus befreien können


Wir alle wachsen mit bestimmten Vorstellungen darüber auf, was es bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein. Diese Bilder begleiten uns von klein auf: Jungen sollen stark, mutig und unabhängig sein, während Mädchen lieb, fürsorglich und zurückhaltend sein sollen. Wir nehmen diese Rollen meist nicht bewusst wahr – und genau das ist das Problem. Denn wenn wir nicht hinterfragen, was uns geprägt hat, laufen wir Gefahr, in unsichtbaren Fesseln festzustecken.


Doch woher kommen diese Geschlechterrollen eigentlich? Warum sind sie so tief in unserer Gesellschaft verankert? Und vor allem: Wie beeinflussen sie unser Leben, unsere Beziehungen, unsere Karrieren – und sogar unsere mentale Gesundheit?


Die Entstehung von Geschlechterrollen: Ein Blick in die Vergangenheit


Die ersten Menschen lebten in Gemeinschaften, in denen Arbeitsteilung überlebensnotwendig war. Männer jagten, weil sie körperlich stärker waren, Frauen kümmerten sich um Kinder und das Sammeln von Nahrung. Das machte damals Sinn – aber wir leben nicht mehr in der Steinzeit.


Mit der Sesshaftwerdung begannen sich feste Hierarchien zu bilden. Landwirtschaft bedeutete Besitz – und Besitz bedeutete Macht. Männer übernahmen zunehmend die Kontrolle über Land, Ressourcen und schließlich auch über Frauen. So entstanden patriarchale Strukturen, in denen Männer das Sagen hatten und Frauen auf ihre Rolle als Mütter und Ehefrauen reduziert wurden.


Das Patriarchat ist kein individuelles Verhalten einzelner Männer, sondern ein gesellschaftliches System, das über Jahrtausende gewachsen ist. Es basiert auf der Idee, dass Männer die dominierende Rolle spielen und Frauen sich unterordnen sollen. Diese Struktur hat sich so tief in unsere Gesellschaft eingegraben, dass viele Aspekte davon heute noch völlig normal erscheinen – obwohl sie alles andere als gerecht sind.


Das Patriarchat heute: Unsichtbare Fesseln, die unser Leben bestimmen


Obwohl wir in einer Zeit leben, in der Frauen formell gleichberechtigt sind, sind die alten Muster noch längst nicht verschwunden. Sie zeigen sich subtil – aber mit tiefgreifenden Konsequenzen.


1. Frauen tragen die Last der unbezahlten Arbeit – und das macht sie krank


In Deutschland leisten Frauen täglich 52% mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Sie kümmern sich um Kinder, pflegen Angehörige, organisieren den Haushalt. Und das neben ihrem Job. Diese sogenannte Care-Arbeit ist nicht nur emotional fordernd, sondern auch wirtschaftlich benachteiligend: Frauen haben weniger Zeit für Karriere, verdienen im Schnitt weniger und sind später häufiger von Altersarmut betroffen.


Die Konsequenzen? Burnout, chronische Erschöpfung, Depressionen. Frauen übernehmen so viele Rollen – Mutter, Partnerin, Kollegin, Kümmerin – dass oft kaum noch Raum für sie selbst bleibt.


Ein reales Beispiel: Sarah, 38, zweifache Mutter, arbeitet 30 Stunden pro Woche. Nach der Arbeit geht es weiter: Hausaufgaben mit den Kindern, Essen kochen, Wäsche machen, Geschenke besorgen, Einkaufen und für die Familie denken. Ihr Mann “hilft”, aber nur, wenn sie ihn darum bittet. Sie fühlt sich allein gelassen, unsichtbar – und fragt sich manchmal, warum sie sich ständig erschöpft fühlt.


Das Problem ist nicht nur individuelle Überlastung, sondern eine gesellschaftliche Struktur, die Frauen in diese Rolle drängt.


2. Männer und Emotionen: Das unsichtbare Gefängnis der Härte


Während Frauen oft mit Überforderung kämpfen, leiden Männer auf eine andere Weise unter Geschlechterrollen. Ihnen wird von klein auf beigebracht: „Ein richtiger Mann zeigt keine Schwäche.“


Männer sprechen seltener über ihre Gefühle, haben weniger intensive Freundschaften in denen sie offen über ihre Gefühle sprechen, suchen sich seltener und später Hilfe – und das hat fatale Folgen. Die Suizidrate bei Männern in Europa ist fast viermal höher als bei Frauen. In Deutschland nehmen sich jährlich rund 13.000 Menschen das Leben – 75% davon sind Männer.


Ein Beispiel: Tom, 42, erfolgreicher Manager. Er arbeitet viel, fühlt sich innerlich leer. Seine Ehe läuft nicht mehr gut, er hat Schlafprobleme. Aber er redet mit niemandem darüber. “Ich muss das alleine hinkriegen”, sagt er sich. Bis er irgendwann völlig zusammenbricht.


Warum passiert das so oft? Weil das Patriarchat Männern vorgibt, dass Gefühle Schwäche bedeuten. Dass sie kämpfen, durchhalten, nicht jammern sollen. Dieses Bild ist toxisch – und es zerstört Leben.


3. Geschlechterrollen im Beruf: Männer führen, Frauen assistieren?


Auch in der Arbeitswelt sind alte Muster tief verankert:


• Nur 19% der Vorstandsmitglieder in deutschen DAX-Unternehmen sind Frauen.

• Frauen werden seltener befördert und verdienen im Schnitt 18% weniger als Männer.

• In Vorstellungsgesprächen wird Frauen oft gefragt, ob sie Kinder haben oder planen – Männern nie.


Die Vorstellung, dass Führung mit Härte, Durchsetzungsvermögen und „Macher“-Mentalität gleichgesetzt wird, bevorzugt Männer. Gleichzeitig wird Frauen, die sich durchsetzen, oft „Zickigkeit“ oder „Kälte“ vorgeworfen.


Ein Beispiel: Laura, 35, arbeitet als Projektleiterin. Sie macht ihren Job großartig – aber ihr männlicher Kollege wird befördert. Die Begründung? „Er ist durchsetzungsstärker.“ Dabei hat Laura in Meetings genauso viele gute Ideen eingebracht – nur wurde sie öfter unterbrochen.


Diese unbewussten Mechanismen halten Frauen zurück – und Männer in der Verantwortung, „die Führung zu übernehmen“. Beide Seiten verlieren.


4.Schönheitsideale


Schönheitsideale sind eng mit traditionellen Geschlechterrollen verbunden. Während Frauen oft an Kriterien wie Jugendlichkeit, Schlankheit oder bestimmter Körperformen gemessen werden, wird von Männern ein muskulöses sportliches Erscheinungsbild erwartet. Solche Vorstellungen sind tief in der Gesellschaft verankert und beeinflussen, wie wir uns selbst und andere wahrnehmen.


Ein Beispiel dafür ist das Bild der "perfekten Frau" in den Medien. Lange Zeit galt die zarte, makellose Frau mit idealen Proportionen als Inbegriff der Weiblichkeit. Sie soll nicht nur schön, sondern auch sanft, fürsorglich und anmutig sein: Eigenschaften, die mit der traditionellen Rolle der Frau eng verbunden werden. Zwar haben sich die Vorstellungen in den letzten Jahrzehnten schon etwas gewandelt, doch auch heute wird Frauen oft vermittelt, dass sie einem bestimmten Bild entsprechen sollten, und ihr Wert stark von ihrem äußeren Erscheinungsbild abhängt.


Auf der anderen Seite steht das männliche Schönheitsideal, das oft mit Stärke und Dominanz verknüpft wird. Groß, muskulös und trainiert, ein Bild, das mit klassichen Rollenbildern wie dem Versorger und Beschützer übereinstimmt. Emotionale Ausdruckskraft oder ein zierlicher Körper gelten eher als untypisch. Dies führt auch bei Männern zu viel Druck, einem bestimmten Ideal entsprechen zu müssen.


Mit der zunehmenden Abweichung von den traditionellen Geschlechterrollen gewinnen auch immer mehr alternative Schönheitsideale an Bedeutung. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt die kritische Reflexion der Schönheitsideale so wichtig.


Wer bestimmt, was als schön gilt?

Warum sollen wir uns überhaupt einem festgelegten Ideal unterordnen?


Die Antwort liegt in der individuellen Selbstannahme und Selbstakzeptanz und in der Erkenntnis, dass wahre Schönheit in Vielfalt und Authentizität liegt. Niemand hat dir zu sagen, wie du aussehen sollst. Es ist einzig und allein wichtig, dass du dich wohl fühlst und vollkommen du selbst sein kannst.


Wie wir uns aus diesen Rollen befreien können


Es reicht nicht, Geschlechterrollen einfach zu „übersehen“. Sie sind da – tief in uns allen verankert. Aber wir können uns ihrer bewusst werden und sie verändern.


1. Hinterfrage deine eigenen Prägungen


• Wie wurdest du als Kind geprägt?

• Welche Sätze hast du oft gehört? („Jungen weinen nicht.“ „Mädchen müssen brav sein.“)

• Welche Erwartungen setzt du (unbewusst) an dich selbst oder andere?


2. Sprich über Rollenbilder – und brich sie auf


• Beobachtet euren eigenen Umgang mit Gefühlen und sprecht mit euren Freunden und in euren Beziehungen über Gefühle. Lernt euch zu öffnen und auch mit den Seiten zu zeigen, die ihr vermeintlich als schwach empfindet.

• Fordert Unterstützung ein, ohne euch dafür schlecht zu fühlen.

• Erzieht eure Kinder nicht nach alten Stereotypen.


3. Verteile Care-Arbeit fairer


• Wartet nicht, bis eure Partnerin/ euer Partner euch sagt, was zu tun ist. Übernehmt eigenständig Verantwortung.

• Hört auf, alles alleine zu machen und lernt Aufgaben abzugeben und Hilfe anzunehmen.


4. Sei mutig, aus der Norm auszubrechen


• Es gibt keine „richtige“ Art, ein Mann oder eine Frau zu sein.

• Finde deinen eigenen Weg – unabhängig von Erwartungen.


Die Freiheit, wir selbst zu sein


Geschlechterrollen sind tief in unserer Gesellschaft verankert. Sie haben sich über Jahrtausende entwickelt – und waren einmal nützlich. Doch heute sind sie oft unsichtbare Ketten, die uns einengen, uns krank machen und uns voneinander entfernen.


Die gute Nachricht? Wir können uns daraus befreien. Es beginnt mit Bewusstsein. Mit Gesprächen. Mit kleinen Schritten.


Stell dir vor, wie eine Welt aussieht, in der du nicht „funktionieren“ musst, sondern einfach sein kannst. Eine Welt, in der wir offen sagen können, wie wir uns fühlen und in der niemand das Gefühl hat irgendwas alleine schaffen zu müssen.


Es ist Zeit, dass wir aufhören, in alten Mustern festzustecken. Es ist Zeit, dass wir wirklich frei sind.

 
 
 

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Charlene Tschickart

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